Hausverbot!
"Du gehst und kommst nicht wieder! – das ist kein
Diskussionsangebot! –raus jetzt!“ ein
Satz wie eine Ohrfeige, der genau das sagt was er meint: Du hast Hausverbot,
kein Spaß, ganz echt, und Du bist das Opfer. Opfer zu sein ist in Berlin das schlimmste
was passieren kann, und Opfer genannt zu werden eine Beleidigung nach der Blut
fließt. Um dies zu vermeiden möchte ich helfen zu verstehen wie es dazu kommen
konnte das ausgerechnet Du rausgeflogen bist.
Ein bestimmter Laden in Berlin ist berühmt für seine
Rauswürfe. Wer sucht, findet ihn, in der Kastanienallee, und wer mutig war ging
dort hin um zu erleben wovon erzählt wird. Ich habe einige der Opfer gefragt:
Ja, sie flogen raus noch bevor sie eine Platte berührt haben. Manchmal dauerte
der Besuch nur 5 Sekunden. Und alle waren harte Digger – kranke Sammler die
sich im Plattenladen sicherer bewegen als in der eigenen Küche oder in ihrer
Stammkneipe, wenn sie denn eine haben und Geld für andere Dinge als Vinyl
ausgeben. Mich interessierte ob dieser Laden der einzige ist der Kunden
rauswirft. Deshalb habe ich relativ systematisch andere Händler nach ihrer
Türpolitik befragt.
Das Ergebnis ist eindeutig. Alle werfen Kunden raus. Und
immer sind es die harten Digger, die gehen müssen. Einige Händler sind
geduldiger als andere, aber keiner erträgt sie in jedem Fall. Einer der seit
bald 20 Jahren im Geschäft ist, und von dem ich glaubte, er sei unglaublich
geduldig, erklärte es so: Ein Plattenladen ist eine Art Club. Und in einen Club
darf auch nicht jeder rein. Ein Händler ist also eine Art Clubbesitzer – und
Türsteher zugleich.
Wer nun glaubt, ein Plattenladen sei ein elitärer Ort liegt
falsch. Natürlich sind viele Plattenläden unerträglich fiese Löcher in denen
griesgrämige Grottenolme hinter den immer selben nicht verrotten wollenden
schlechten Rock-Platten sitzen, die ihnen die Nachbarschaft gebracht hat. Wer
in diese Läden geht ist selber schuld. Ich meine Läden die den Eindruck machen
sie könnten ihre Kunden mögen. Läden, deren Sortiment einigermaßen gepflegt
wirkt, die eventuell gezielt Neuware anbieten, die Plattenspieler zum reinhören
haben und deren Verkäufer den Kopf heben wenn ein Kunde den Laden betritt. Und
tatsächlich – sie mögen Kunden.
Je unsicherer und fremder ein Kunde in diesen Läden wirkt,
desto willkommener ist er. Dem neugierigen Kunden stehen die Türen der
Plattenläden weit offen – sie halten das Geschäft am leben.
Schwieriger sind Kunden, die nur in Läden gehen, weil sie
keinen anderen Ausweg sehen – und schon wissen dass auch der Plattenladen ihnen
bei ihren Problemen nicht helfen kann. Sie wirken wie gezielt gestrandet –
bereit, alles auszukotzen was die Welt außerhalb des Vinylkosmos ihnen zumutet.
Wenn sie an einer Kiste stehen und die Finger bewegen scheinen sie am Ziel – allerdings
nicht um sich inspirieren zu lassen, sondern um sich zu beschweren, idealer
Weise beim Händler, der nicht die Platte hat, die ihren Unmut besänftigen kann
– und wenn, dann zu Preisen, für die man sie mit Glück auch im Internet
schießen kann – viel zu teuer also. Ich kenne diesen Blick, die Bewegung der
Finger, die harten Griffe an der Plattenkiste, die Gleichgültigkeit mit der sie
Raritäten die sie schon haben oder nicht wollen verwerfen - und den Zorn auf
ihrer Stirn der mit diesen Bewegungen wächst ohne Worte zu finden. Diese Kunden
nicken ohne aufzusehen, treten an die Kisten, werden zornig, nicken nicht wenn
sie gehen – und kommen wieder.
Ein Plattenladen ist elitär, wenn er seine vermeintlich
besten Kunden rauswirft – nämlich die, die getrieben durch die Stadt irren -
auf der Suche nach den Schallplatten, die ihnen Händler nicht bieten können. Händler
erkennen diese Digger sofort, nach wenigen Sekunden. Einige sind geduldig –
andere sind weniger geduldig. Alle warten darauf dass der Digger geht.
Eventuell bist Du also rausgeflogen weil Du so tun wolltest
als ob Du Dich auskennst - zum Beispiel um im Laden dazu zu gehören, der
Freundin zu imponieren, Sachverstand zu beweisen oder auch mal harter Digger zu
sein – warum auch immer. Genau das könnte das Problem gewesen sein. Unabhängig
davon ob Du dich auskennst oder nicht sind dies die Gesten, die beim Händler
die Alarmglocken läuten lassen. Wenn Du Dich zu unbeholfen bemühst Kennerschaft
oder souveränen Umgang mit Vinyl zu beweisen ist das kein Problem, denn Posen
gehört zum Geschäft und ist in harmloser Form stets willkommen. Der harte
Digger zeigt diese Gesten hingegen als professioneller Aggressor – und ihn zu imitieren
ist niemals gut.
Du bist echter Digger? Dann kämpfe hart aber fair. Als
Händler ausreichend gute Geschäfte zu machen ist nicht leicht. Schwieriger
hingegen ist es, Digger zu ertragen. Wenn Du also ans Eingemachte willst, dann
Respektiere das Geschäft, zeige Würde, so übel der Laden auch scheint, und
kotze nicht in die Kisten. Jeder Händler war mal Digger – und jeder Händler hat
Kisten die nicht jeder zu sehen bekommt. Ach wenn ein Händler nicht mehr
sammelt – eine Art Beschützerinstinkt für gute Schallplatten ist ihm geblieben.
Gesuchte seltene Schallplatten sind – nun ja – selten! Viele verschwinden bereits,
bevor sie überhaupt in der versteckten Kiste landen. Manchmal ist der ganze
Laden nur Tarnung – für genau die Kisten, in die Du schauen möchtest.
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