Montag, 19. Dezember 2011

25 vielversprechende Arten den Kunden eines Plattenladens zur Weißglut zu bringen ...







... erprobt und notiert von Joachim Wendel.


(1) Ignorieren Sie einen Kunden den Sie nicht kennen immer! Selbst wenn dieser freundlich einen Guten Tag wünscht schauen Sie ihm nicht ins Gesicht. Jeder Blick, der keinen Kampf zwischen Kunde und Händler einleitet, ist verschenkt und damit sinnlos.

(2) Legen Sie die spannenden Neuzugänge auf die Plattenkisten. Sobald ein Kunde daran Interesse zeigt nehmen Sie die Schallplatten weg. Wenn der Kunde nach Preisen fragt glänzen Sie mit Unwissenheit und geben grundsätzlich Antworten die jede weitere Frage des Kunden als Zumutung erscheinen lassen würde.

(3) Wenn der Plattenspieler, an dem Kunden in die Schallplatten reinhören können, defekt ist, reparieren Sie ihn nicht. Der Kunde soll den Eindruck bekommen, dass Ihnen dieser Umstand gelegen kommt. Oder seien Sie konsequent: schaffen Sie diesen Plattenspieler einfach ab und verweisen Sie auf Anfrage eben auf die sich häufenden Defekte.

(4) Doppelalben in Grabbelkisten kosten immer das Doppelte eines normalen Albums. Wenn sich ein Kunde beschwert, dann nehmen Sie ihm die Platten aus der Hand und schmeißen ihn aus dem Laden.

(5) Schmeißen Sie alle Kunden aus dem Laden von denen Sie annehmen dass sie nichts kaufen werden. Sorgen Sie dafür dass Ihr so begründeter Ruf alle potentiellen Stammkunden in der Sammlerszene erreich.

(6) Wenn ein Kunde um eine allgemeine Empfehlung bittet finden Sie in Ihrem Sortiment nichts, was Ihre persönliche Empfehlung verdienen würde. Zeigen Sie außerdem keine Bereitschaft das Gespräch mit den im Laden abhängenden „Nerds“ länger als zehn Sekunden zu unterbrechen.

(7) Lassen Sie nicht mit sich Handeln. Wenn ein Kunde für 124 Euro Schallplatten findet dann kosten diese Platten 124 Euro. Kassieren Sie nach dem Kauf die Schutzhüllen kommentarlos ein.

(8) Zeichnen Sie Ihre Schallplatten mit Preisschildern aus, die hässlich sind und nicht ohne Beschädigung des Covers entfernt werden können. Die Schutzhüllen sehen natürlich aus als hätten Sie versucht damit den Boden zu wischen.

(9) Raritäten hängen an der Wand – und bleiben auch dort! 

(10) Um Standardware bemühen Sie sich nicht, da die Fächer mit Platten übervoll sind, die sich nur mit Glück verkaufen lassen. Ohnehin kaufen Sie kaum an – Sie haben ja genug Schallplatten die Sie verkaufen müssen.

(11) In Grabbelkisten dürfen Sie selbstverständlich auch Schallplatten stellen, die so schlecht und schäbig sind, dass die Beschäftigung mit ihnen für den Kunden zu einem Kampf mit dem Brechreiz wird. Hängen Sie einfach ein Schild auf: „Bitte nicht in die Kisten kotzen“

(12) Verkaufen Sie Ihre Plattenwaschmaschine – Sie sind Händler, kein Tellerwäscher. Oder verlangen Sie 2 Euro Aufpreis, wenn ein Kunde eine Platte aus Ihrem Sortiment vor dem Kauf gewaschen haben will.

(13) Das Verhältnis zwischen Ihnen und dem Kunden ist auf Feindschaft ausgelegt. Der Kunde will Sie bescheißen – und Sie wollen den Kunden bescheißen. Der Kunde will alles besser wissen – und Sie wissen alles besser. Der Kunde hat keine Ahnung – und sie verachten ihn für seinen Hochmut. Zeigen Sie dem Kunden deshalb, was Sie wirklich von ihm wollen: Nämlich dass er geht nicht mehr wiederkommt.

(14) Die natürliche Heimat der Schallplatte ist der Brotkorb - gewöhnen Sie Ihre Kunden daran. Um dem Kunden zu zeigen wie viele Schallplatten Sie haben sind Ihre Kisten stets brechend voll. Normales durchblättern ist bei Ihnen auch gar nicht erwünscht. Wer die ersten 15 Platten der Kiste herausnimmt um sich die restlichen 125 anzusehen erntet einen Blick der unmissverständlich klarmacht, wer hier über welche Sünden richtet.

(15) Hören Sie in Ihrem Laden Radio. Oder checken Sie die Neuzugänge durch, indem sie die Nadel von Lied zu Lied heben – natürlich ohne Kopfhörer, und so, dass alle Kunden Ihre Arbeit verfolgen können.

(16) Sie nehmen keine Schallplatten zurück!

(17) Sie öffnen erst um 15 Uhr – frühestens – mit Verspätung. Samstags haben Sie geschlossen.

(18) Verkaufen Sie alle teuren und gut erhaltenen Platten im Internet.

(19) Schleifen Sie Raritäten – denn wer will schon zerkratze Platten haben! Auf Anfrage sprechen Sie von einem speziellen Verfahren zur Restauration. Welche Schallplatten Sie geschliffen haben wissen Sie nicht – natürlich nicht. Und eigentlich wissen Sie ja auch gar nichts von diesen Praktiken.

(20) Nach 16 Uhr öffnen Sie die erste Flasche Bier und prosten den „Nerds“ zu die seit 14 Uhr darauf warten dass Sie mit Ihnen saufen.

(21) Seien Sie teuer! Bei Preisrecherchen orientieren Sie sich immer an den Preisen der angebotenen Platten – nicht an den tatsächlich gezahlten Preisen. Bei Raritäten sehen Sie bei popsike nach – und orientieren sich an den Spitzenergebnissen für absolute MINT-Ware. Wenn Sie keinen Preis ermitteln können und die Platte nicht kennen dann kostet sie je nach Cover zwischen 20 und 149 Euro. Horten Sie Schrott! – denn Platten die nichts kosten erwirtschaften im Verkauf den besten Gewinn! 

(22) Orientieren Sie sich in Ihrem Angebot am Massengeschmack – schliesslich leben Sie von Touristen. Verkaufsklassiker lassen sich leicht durch illegale Nachpressungen mit scheußlichem Klang und einem Cover, dass einer billigen Farbkopie gleicht, bevorraten. Ungewöhnliche Platten stehen bei Ihnen in Brotkörben unter den Tischen auf dem Boden.

(23) Kaffee gibt es bei Ihnen nur für Nerds – und deswegen stehen auch überall benutzte Tassen herum. 

(24) Bleiben Sie Ihrem persönlichen Musikgeschmack treu. Sie verkaufen nur klassischen Rock der siebziger Jahre, eventuell etwas Fusion Jazz und Beat und Soul – von dem, was danach kommt, haben Sie keine Ahnung. Mit dem Punk ging die gute alte Zeit zu Ende – und seitdem haben Sie keine gute Musik mehr gehört. Für Sie ist Techno der frühen 90er das neuste was die Musikentwicklung der letzten 30 Jahre hervorgebracht hat. Lassen Sie Ihre Kunden spüren wo Ihre musikalischen Vorlieben liegen.

(25) Lachen Sie über die Kunden, die soeben den Laden verlassen haben.





1 Kommentar:

  1. Sehr gut beobachtet. Und vor allem exzellente Foto-Auswahl! Man könnte diese Listen ewig fortsetzen...
    http://kupillas.wordpress.com/2011/12/18/zehn-grunde-plattenkaufer-zur-weisglut-zu-bringen/

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